Wie freundlich sind eigentlich Kanadier?

Kanadier gelten als freundlich – das ist kein Geheimnis. Das weiß die ganze Welt. Aber wie freundlich sind sie denn wirklich und ist der Unterschied zu anderen Ländern wirklich spürbar?



Ein paar kleine Geschichten aus dem kanadischen Alltag sollen Klarheit bringen.


In Kanada nach dem Weg fragen

Du stehst irgendwo in Vancouver, schaust ungläubig auf deine Karte und versuchst zu erahnen wo du dich befindest oder wie du zu deinem Ziel kommst? Kein Problem! Es ist alles andere als unwahrscheinlich, dass dich der erstbeste Kanadier fragt, ob er dir helfen kann! Ohne dass du ihn davor angesprochen hast. Das ist nicht nur mir genauso passiert, sondern anderen auch. Aber selbst wenn du auf andere zugehen und fragen musst, ist die Wahrscheinlichkeit bei ungefähr 100%, dass dir freundlich weitergeholfen wird. Das beeindruckt dich nicht? Das kennst du auch aus anderen Ländern? Dann lies die weiteren Anekdoten, vor allem die letzte.



In Kanada etwas kaufen

Ich wollte damals extra meine Kamera in Kanada kaufen und nicht schon in Deutschland, da ich dachte das sei billiger (dem ist übrigens nicht so). Im Internet hatte ich mich informiert und für ein bestimmtes Modell entschieden. Im Fotogeschäft angekommen, musste mich die Verkäuferin enttäuschen, da sie dieses Modell nicht hatte. Anstatt mich von einer anderen Kamera überzeugen zu wollen, holte sie aber einen kleinen Stadtplan und markierte mir die beiden anderen Läden in der nähren Umgebung. Ich solle dort mein Glück versuchen. Natürlich handelte es sich dabei um die Konkurrenz – in Deutschland nahezu undenkbar. Oder wann wurdest du das letzte Mal freundlich an einen direkten Konkurrenten verwiesen? Ähnlich war die Sache übrigens als wir im Hostel nach günstigeren Preisen gefragt hatten, weil wir eine längere Zeit bleiben wollten. Die Empfangsdame meinte, sie könne im Preis nicht nach unten gehen, aber die Motels in der Stadt würden günstige Preise für Langzeit-Gäste machen. Und genauso war es dann auch.



Das Auto oder die Haustüre abschließen

Vielleicht habt ihr die Szene des Films „Bowling for Columbine“ im Kopf, in der Micheal Moore in Kanada herumläuft und einfach bei wildfremden Leuten die Haustüre aufmacht. Nicht nur dass bei zahlreichen Häusern die Türe tatsächlich nicht abgeschlossen ist, zumeist wird er auch noch freundlich begrüßt. Tatsächlich scheinen viele Kanadier ihre Haus- oder Autotür nur selten abzuschließen. Als ich in Penticton war, habe ich auf verschiedenen Weinfeldern gearbeitet. Die Autos, mit denen wir dort hinfuhren habe ich nie abgeschlossen gesehen. Selbst wenn sämtliche Arbeiter tief zwischen den Weinreben verschwunden waren. Und bei den Autos handelte es sich um 40.000$ Pick-Ups. Apropos Pick-Up-Truck: Normalerweise wurden meine beiden deutschen Freunde und ich von einer anderen Angestellten zur Arbeit abgeholt. Als sie jedoch krank war, gab uns der Chef einfach seinen Pick-Up. Ohne jede Sicherheit. Das war eine Woche nachdem wir dort angefangen hatten zu arbeiten. Und wir konnten das Auto für mehrere Tage nutzen und sind damit auch zum Einkaufen gefahren.



Das W-LAN nutzen in Kanada

Während meiner Zeit auf Apex Mountain habe ich in einer kleinen Wohnung ohne Internet gelebt. Das größte Hotel war nur fünf Gehminuten entfernt und ich beschloss dort zu fragen, ob ich gegen eine Gebühr das Internet benutzen dürfe. Der ältere Herr an der Empfangstheke begrüßte mich freundlich. Nachdem er gehört hatte warum ich gekommen war, holte er einen Zettel und einen Stift und schrieb grinsend das W-LAN Passwort auf. Natürlich durfte ich es kostenlos benutzen. Das war wohlgemerkt im Jahr 2010, in dem kostenlos verfügbares W-LAN quasi noch nicht existierte. Aber das ist noch nicht das Ende dieser kleinen Anekdote. Über drei Monate ging ich also jede Woche ca. drei bis vier Mal ins Hotel um das W-LAN kostenlos zu nutzen. Als ob das noch nicht genug der Freundlichkeit wäre, bekam ich auch noch regelmäßig ein Stück Kuchen gereicht. Einfach so! Als Dank dafür, dass ich umsonst im Internet surfe sozusagen. Einmal bekam ich sogar ein ganzes Abendessen! Immer vom freundlichen Herren der Empfangstheke. Ohne eine Gegenleistung zu wollen. Ohne Hintergedanken. Einfach aus Freundlichkeit. Vor meiner Abreise ging ich noch einmal im Hotel vorbei um mich zu bedanken und zu verabschieden. Ich sei ein äußerst freundlicher Mensch und guter Repräsentant meines Landes wurde mir gesagt. Von dem Mann, der mir drei Monate kostenloses W-LAN und einen Haufen Kuchen gegeben hat. Was soll ich da sagen?!



Diese kurzen Geschichten sollen dir einen kleinen Eindruck über die Freundlichkeit der Kanadier geben. Natürlich ist auch in Kanada nicht jeder Mensch ein Heiliger, aber der Unterschied zu anderen Ländern und vor allem zu Deutschland ist doch deutlich spürbar. Das fällt einem noch einmal richtig auf, wenn man zurück in Deutschland ist. Als ich in Kanada ankam gab es am Flughafen eine Person, die nur dazu da war die Reisenden herzlich willkommen zu heißen. Als ich in Deutschland angekommen bin, war das erste, was ich gehört habe ein forsches „Bitte weiter gehen!!!“. Tatsächlich fallen mir beim Schreiben dieser Zeilen noch weitaus mehr Storys ein, die ich hätte erzählen können. Aber ich will diesen Artikel nicht noch länger werden lassen, als er ohnehin schon ist.


Fakt ist: Falls du noch nicht in Kanada warst, solltest du das unbedingt nachholen. Mal ganz abgesehen von der schönen Landschaft und allem anderen, was Kanada noch so zu bieten hat!

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Kommentare

  1. Habe da 3,5 Jahre gelebt .Was liebe ich vorwiegend an diesem Land . Die Politiker und die gesamte Gesellschaft. Ist schon 33 Jahre her und ich habe jeden Tag Heimweh , obwohl ich in Deutschland geboren bin.

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